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Die Poesie der Selbstannahme – zwischen Widerspruch und Möglichkeit

  • ulrikecarstens
  • 18. Sep.
  • 2 Min. Lesezeit

Selbstannahme klingt nach einem harmonischen Ideal. Doch in Wirklichkeit fühlt sie sich oft wie ein Flickenteppich an: hier ein warmer Faden von Zuneigung, dort ein scharfes Stück Selbstkritik. Zwischen Selbstfreundschaft und Selbstabwertung spannt sich ein inneres Seil, auf dem wir balancieren.


Das NARM-Konzept beschreibt Agency als die Fähigkeit, nicht in Ohnmacht zu verharren, sondern trotz alter Wunden kleine Wahlmöglichkeiten zu entdecken. Agency ist kein heroischer Befreiungsschlag, sondern ein leiser Moment: „Ich könnte mich jetzt wieder abwerten – aber ich kann auch kurz stehenbleiben und atmen.“


Die Poesie der Selbstannahme entsteht genau in diesen Zwischenräumen.Sie ist keine lineare Erfolgsgeschichte, sondern ein Gewebe aus Spannungen:


  • Ich will mich so lieben, wie ich bin – und gleichzeitig ertappe ich mich im Spiegel bei harter Kritik.

  • Ich weiß um die Absurdität der Optimierungslogik – und doch spüre ich das Ziehen, „besser“ sein zu wollen.

  • Ich sehne mich nach Ruhe – und merke, wie die innere Antreiberin wieder zur nächsten To-do-Liste greift.


Diese Widersprüche machen uns nicht defizitär. Sie sind das Feld, in dem sich Selbstannahme überhaupt erst zeigen kann. Denn Annahme bedeutet nicht, dass alles aufhört, sich zu bewegen. Es bedeutet, die eigenen Bewegungen – auch die widersprüchlichen – nicht länger als Fehler zu sehen, sondern als Teil des lebendigen Spiels.


Vielleicht ist genau das Agency: Nicht die Abwesenheit von Selbstabwertung, sondern die Fähigkeit, sie wahrzunehmen, ohne sich von ihr verschlingen zu lassen. Nicht die glatte Selbstliebe, sondern die Erlaubnis, mit sich selbst im Dialog zu bleiben – rau, widersprüchlich, unfertig.


So bleibt die Poesie der Selbstannahme eine unvollendete Melodie.Ein Gedicht, das gleichzeitig Lob und Kritik, Leichtigkeit und Schwere trägt.Ein Tanz, bei dem wir stolpern dürfen – und trotzdem weitergehen.


Titelbild von Aleah Chapin

 
 
 

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